Man stelle sich vor, wie die Welt – insbesondere die Eisenbahnwelt in Baden-Württemberg – im Jahr 2020 aussieht, wenn Stuttgart 21 eröffnet wurde. Ein neuer Hauptbahnhof unterirdisch mit nur acht Gleisen, bei weitem nicht für einen Integralen Taktfahrplan geeignet und auch nicht flexibel genug, um auf Verspätungen von Zügen zu reagieren. Es sollen hier also Milliarden investiert werden, um Fahrt zwischen Mannheim und Ulm um weitere 3 bis 4 Minuten zu beschleunigen, wobei aber in Kauf genommen wird, dass der zu kleine Bahnhof in vielen Relationen die Umsteigezeiten um wesentlich mehr verlängern wird. Und bei Verspätungen wird es zur Regel, dass Züge mitten im dunklen Tunnel vor dem Bahnhof stehen bleiben, um auf das frei werden eines Bahnsteiggleises zu warten. Und wenn der Zug dann endlich am Bahnsteig hält, ist der Anschlusszug auf dem anderen Gleis wahrscheinlich auch schon weggefahren – konnte nicht warten, weil auch dort schon das Gleis für den nächsten Zug freigegeben werden musste! Auf den schmalen unterirdischen Bahnsteigen stauen sich die Reisenden, weil Passagiere eines Zuges noch nicht alle weg sind, wenn der nächste schon kommt.
Und diese gesamte Verschlechterung der Verkehrsqualität in Stuttgart wird gezahlt mit mindestens vier Milliarden Euro, wahrscheinlich aber mehr als sechs Milliarden, die fast ausschließlich aus Steuergeldern kommen. Die Bahn als Unternehmen ist Hauptprofiteur, weil sich die Betriebsabläufe in einem Durchgangsbahnhof vereinfachen und dadurch die Betriebskosten sinken. Die Bahn selbst zahlt aber den geringsten Beitrag!
Neben all dem Dreck und Lärm, Zerstörung eines Kulturdenkmals in Form des Bonatz-Empfangsgebäudes und der Grundwasservereisung, welche die Stuttgarter in den nächsten zehn Jahren doch bitte aushalten sollen, werden die dafür verschwendeten Geldmittel an anderer Stelle schmerzhaft fehlen. Auf Seiten der Bundesmittel sind dies vor allem die Neubaustrecke Frankfurt–Mannheim und andere Projekte auf der gesamten Achse Amsterdam–Stuttgart–München–Salzburg, sowie Paris–Stuttgart–München–Salzburg. Für den Preis von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm könnte man die gesamte Achse Strassburg/Frankfurt–Stuttgart–Ulm–Augsburg–München auf Hochgeschwindigkeit (230 bis 300 km/h) ausbauen. All diese Projekte werden sich durch Stuttgart 21 verzögern. Noch schlimmer sieht es aber für die öffentlichen Haushalte des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart aus: sie werden durch die Ausgaben hoch belastet und insbesondere der öffentliche Verkehr muss wohl darunter leiden. Stuttgart 21 führt zu Stau auf den Schienen im Ländle und im ganzen Land!
Aber noch ist es nicht zu spät: die jüngsten Einsparungen, die sich die Bahn hat ausdenken müssen, um nicht schon vor dem Baubeginn die erwarteten Kosten zu überschreiten, wurden vom Eisenbahnbundesamt noch nicht genehmigt. Das Gesamtprojekt kann also durchaus noch ins Stolpern kommen und bei bleibendem Widerstand von Bürgern und Interessenverbänden vielleicht sogar noch gestoppt werden. Es sollte ein jeder dazu tun, was er kann!
5 January 2010
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