9 November 2017

Der Berliner Flughafen-Express hat exponentiell viele Provisorien!

Bei dieser Meldung handelt es sich um keinen Witz oder Übertreibung, sondern einfach um ein Zusammenspiel von vielen Bauprojekten und anderen Terminen, die in der Reihenfolge alle nicht so fest sind. Und je nachdem, was zuerst fertig wird oder zuerst passiert ergibt sich eine andere Situation. Zwar wird es letztendlich nicht so viele Kombinationen geben, aber da die Reihenfolge vorher noch nicht fest steht, müssen alle diese Kombinationen geplant werden!

Ein Beispiel: der ursprüngliche Eröffnungstermin des Flughafens BER war im Frühjahr 2012. Zu diesem Zeitpunkt war die die östliche Eisenbahn-Anbindung noch nicht fertig. Es gab also ein provisorisches Fahrplankonzept für diese Zeit bis zur Fertigstellung der östlichen Anbindung. Wie wir alle wissen, wurde der Flughafen aber nicht 2012 eröffnet und das provisorische Konzept wurde nicht benötigt. Mittlerweile ist die östliche Anbindung auch fertig und wartet nun ihrerseits auf Eröffnung des Flughafens!

Andere Dinge, die seit 2012 schon fertig wurden und höchstwahrscheinlich vor der Eröffnung des Flughafens noch fertig werden:

  • seit 2011 gibt es einen Verkehrsvertrag des VBB in dem der Flughafenexpress schon ausgeschrieben war und wohl auch bestellt ist und der VBB sich wohl irgendwie mit dem Bahn-Unternehmen einigen musste, was die Züge stattdessen machen sollen. (Der existierende Flughafenexpress wird wahrscheinlich davon bezahlt, hat aber nicht so viele Zugfahrten.) Immerhin fahren Heute nach Schönefeld schon die neuen Flughafen-Express-Züge, die eigentlich für den BER bestellt waren. Man erkennt sie übrigens daran, dass sie teilweise Dreier-Sitze auf einer Seite haben und die andere Seite dafür frei für Gepäck.
  • im Jahr 2014 bis Ende 2015 wurde schon mal mit einem Regionalzug experimentiert, der stündlich vom Hauptbahnhof über Südkreuz zum Flughafen Schönefeld verkehrte und dadurch mit den anderen Zügen drei Verbindungen Hbf – SFX pro Stunde bot, statt nur zwei wie vorher und jetzt wieder.
  • seit Ende 2015 hat das Ostkreuz einen Ringbahnsteig für Regionalzüge und die direkte Strecke von dort über Schöneweide zum Flughafen ist nach großer Renovierung wieder befahrbar.
  • ab Ende 2017 hat das Ostkreuz dann auch unten einen Regionalbahnhalt und dieser wird ab dann auch schon für die heutigen Flughafenzüge genutzt werden.
  • seit Ende 2015 gibt die Schnellfahrstrecke Halle/Leipzig – Erfurt, die auf Berliner Seite dazu führt, dass mehr Fernverkehrszüge südlich von/nach Berlin fahren und hier kein Platz mehr für Züge zum Flughafen ist. (Daher unter anderem auch die Einstellung der o.g. Linie.)
  • ab Ende 2017 kommen im Süden von Berlin noch die Schnellfahrstrecke Erfurt – Nürnberg und Erfurt – Frankfurt hinzu. Erstere wird den Verkehr nach München stark ansteigen lassen, da sich die Fahrzeit von ca. sechs auf ca. vier Stunden reduziert! Richtung hingegen kommt es nur zu einer kleinen Fahrzeitverkürzung, aber dadurch wird die Fahrzeit von Berlin nach Frankfurt (und damit auch Stuttgart, Karlsruhe, Straßburg, Zürich, ...) über Erfurt kürzer als über Braunschweig / Hildesheim, so dass auch deswegen mehr Züge von Berlin Richtung Halle und Leipzig fahren werden. Damit bleibt nun gar kein Platz mehr für den Flughafenexpress über Berlin Südkreuz. 
Durch all diese Geschehnisse sind nun schon einige Provisorien überflüssig geworden und insbesondere, der ab 2012 als RE9 geplante Express vom Hauptbahnhof über Südkreuz zum BER ist nun auch unmöglich geworden.

Andererseits sind immer noch viele zukünftige Termine offen und unklar:
  • Die Eröffnung des Flughafens selbst: aktuelle Ansage heißt "ab Sommer 2018 ist alles fertig gebaut, wird noch ein Jahr lang getestet und geht dann (vielleicht? wahrscheinlich?) 2019 in Betrieb". Nicht ganz sicher eben.
  • Die Stilllegung des Terminals Schönefeld alt: diese wird erst "einige Jahre" nach der Eröffnung vom BER erfolgen, so dass auch dort noch Flughafenzüge hin fahren sollten.
  • Eher klar ist, dass ein neues Regional-Linienkonzept ab Dezember 2022 in Betrieb gehen soll, dass natürlich wieder mehrere Varianten für die Flughafenanbindung enthält. (Technische Details dazu in der Ausschreibungsvorankündigungsberichtigung.) Hierdurch wird sich für die Direkt-Anbindung des Flughafens von der Innenstadt (Stadtbahn und/oder Hauptbahnhof tief) nicht so viel ändern, aber es kommen neue Regionallinien hinzu, die von Norden her kommend über Lichtenberg und Ostkreuz zum Flughafen fahren und dann weiter in südliche Vororte. Diese werden wohl auch pünktlich starten und falls es dann noch keinen BER gibt, eben über den alten Flughafen Schönefeld fahren.
  • Auch eher klar ist, dass die Berliner Ringbahn nun auch zwischen Gesundbrunnen (BGS) und Ostkreuz (BOK) repariert, saniert und elektrifiziert werden soll, damit Züge vom Hauptbahnhof über GBS, BOK und Schöneweide zum BER fahren können. (Alter Artikel dazu von Sept. 2016.) Für ein paar Jahre wird das die kürzeste und schnellste Verbindung sein! Das betroffene Teilstück der Ringbahn (parallel zur Friedrichshainer Gürtelstraße) ist nicht mal einen Kilometer lang, betrifft aber mindestens eine sehr marode Brücke, so dass hier wohl mit zwei Jahren Bauzeit zu rechnen ist, die hoffentlich schon in wenigen Monaten beginnen. Hier gibt es also wieder einen Wettlauf, ob nun der BER zuerst fertig wird oder diese provisorische Abkürzung der Flughafenanbindung. (Die übrigens auch als Betriebs- und Reserve-Strecke für andere Linien sehr nützlich sein wird!)
  • Ein ganz großes Fragezeichen gibt es noch bei der eigentlichen Flughafenexpress-Strecke, nämlich der so genannten (Berlin–)Dresdner Bahn in Lichtenrade. Diese gehört schon seit der Wiedervereinigung zum Großprojekt des Berliner Hauptbahnhofs, insbesondere seines Tiefbahnhofs, der bis Heute seine acht Tunnelbahnsteige nicht voll ausnutzen kann, weil nach Süden hin nur eine Bahnstrecke (nämlich die über Lichterfelde in Richtung Halle/Leipzig) wieder eröffnet wurde und die andere (nämlich über Lichtenrade nach Dresden) bis Heute nicht. Für diese Strecke besteht nun auf Berliner Gebiet endlich Baurecht und kleinere Bauarbeiten sind schon im Gange. Die Details werden einen eigenen Blog-Post füllen (den ich hiermit ankündige) und die früheste Inbetriebnahme 2024 wurde noch nicht offiziell verkündet, weil für den Brandenburger Abschnitt immer noch kein Baurecht besteht! (Und es ist leider so, dass man nicht teilweise in Betrieb nehmen kann, nur die gesamte Strecke ab Berlin Abzweig Priesterweg bis zum Berliner Außenring, wo die Strecken nach Dresden und zum Flughafen anschließen.)
Besonders kurios und kreativ ist das Provisorium für den Fall, dass BER schon 2018 eröffnen sollte (oder überhaupt vor Ferstigstellung der Ringbahn am Ostkreuz). Dafür hat sich die Bahn einen Kreisverkehr ausgedacht, der die Fahrgäste ab Hauptbahnhof über Südkreuz zum BER bringt, aber über Lichtenberg und Gesundbrunnen wieder zurück! (Quelle mit Bild bei der BZ.) Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Provisorium zum Provisorium auch wieder nicht benötigt wird bevor der Flughafen eröffnet. Aber falls doch, dann gäbe es für ein paar Monate oder Jahre mal wieder etwas ganz einmaliges in Berlin, denn so eine Einbahnkreislinie hat eine andere Stadt auf der Welt für so einen großen Kreis.

Zum Abschied Bilder der maroden Brücke am Wiesenweg (Gürtelstraße), die nun plötzlich so zentral zwischen Berlin und seinem neuen Flughafen steht:


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