26 November 2009

ICE am Flughafen München: eher nach Prag als nach Salzburg

Mein Blogeintrag von letzter Woche über die Schienen-Regional-Anbindung von MUC, dem Flughafen München, ist zwar interessant and hat ein hübsches Bild, aber mittlerweile glaube ich nicht mehr daran, dass er realistisch ist. Das liegt nicht am einen Tag später von der Bayr. Regierung veröffentlichten Gutachten, welches ganz im Gegenteil sogar ganz ähnliche Linienpläne wie ich zeichnet. Nein, das Gutachten ist sogar ebenso über-optimistisch wie ich es war. Aber wenn man sich die Hintergründe der verschiedenen Streckenprojekte anschaut, so ist es doch nicht mehr ganz stimmig. Das merkte ich, als die Informationen zum Schienenprojekt „Ausbaustrecke 38“ München–Mühldorf–Freilassing(–Salzburg) in der Wikipedia nachlas. Das Projekt dient hauptsächlich als Umgehungsstrecke für München–Rosenheim–Salzburg, welche durch den geplanten Brennerbasistunnel zukünftig überlastet sein wird. Dieser Streckenausbau ist schon seit den 80er Jahren im Bundesverkehrswegeplan enthalten und daher wird allgemein davon ausgegangen, dass er mittelfristig realisiert wird und das dadurch die Verbindung München–Salzburg ganz natürlich am Flughafen vorbeiführt. Die Realität ist aber: mit der Brenner-Strecke ist nicht vor dem Jahr 2030 zu rechnen, daher ist der Ausbau über Mühldorf auch nicht eilig. Außerdem zeigt das Preisschild 2 800 Mio. Euro. Damit befinden wir uns fast schon in den Regionen einer ICE-Neubaustrecke! Und weil sich ja die Bahn und die Bundesregierung einig sind, zunächst die neuen Strecken Frankfurt–Mannheim (neue Riedbahn) und Stuttgart–Ulm zu bauen, wird man diese 2,8 Milliarden nicht mal so schnell übrige haben. Zumal die Verbindung München–Salzburg über Rosenheim noch sehr zufriedenstellend ist – nur eben führt sie nicht am Flughafen vorbei!

Nun zum zweiten Teil: andere Projekte sind schon viel weiter fortgeschritten als unsere ABS 38. Im Bau und bald fertig (lange bevor die Durchbindung zum Flughafen möglich sein wird) ist der vier- bis sechs-gleisige Ausbau Augsburg–München. Damit wird zukünftig die Fahrplanlage der Regionalzüge aus Augsburg so entspannt, dass sie zur Durchbindung zum Flughafen erste Wahl wären!
Außerdem ab nächstem Jahr im Bau: die Elektrifizierung der Strecke München–Memmingen–Lindau(–Zürich) mit geplanter Fertigstellung 2015. Diese dient dem Zulauf zum neuen Gotthardtunnel, welcher im Bau bereits gut fortgeschritten ist. (Die Schweizer haben mit dem Tunneln früher begonnen als die Östereicher!) Damit wären Fernzüge aus Zürich und Regionalzüge aus dem Allgäu auch elektrisch und hätten die Erlaubnis durch einen Tunnel zum Flughafen zu fahren.
Und zuguterletzt: die Donau-Moldau-Bahn München–Regensburg–Pilsen–Prag wird auch ausgebaut und elektrifiziert. Der Bau hat noch nicht begonnen, soll aber angeblich auch schon 2016 fertig sein. In jedem Fall führt das Teilstück München–Regensburg über Freising und eine Einbindung in den Münchner Flughafen böte sich an! Man könnte sogar einen Eurocity Zürich–München–Prag über den Flughafen verkehren lassen! Im Gegensatz zu den Salzburger ICE stehen für alle diese Maßnahmen schon Gelder bereit und die Fertigstellung ist gesichert (wenn man auch mit Verzögerungen rechnen mag).

Der Plan der Bayr. Regierung scheint allerdings zu sein, die Strecke nach Salzburg zunächst zweigleisig auszubauen und nicht zu elektrifizieren. Damit gibt es dort wahrscheinlich keinen Fernverkehr, und es gibt auch keine Durchbindung nach München durch einen Tunnel. Außerdem schlagen die Gutachter den Ausbau der Strecke Ostbahnhof–Ismaning–Flughafen für Expresszüge zum Flughafen vor. Die beiden auf dieser Strecke vorhandenen Tunnel könnten Dieselzüge womöglich durchfahren. Wenn aber auch zwischen Zamdorf und Johanneskirchen ein 4,4 km langer Tunnel gebaut wird, müssen Dieselzüge wohl draußen bleiben. Daher kommt es wohl, dass die Regionalzüge aus Mühldorf im Plan der Gutachter nicht mehr nach München durchgebunden werden. Dies muss aber nicht zwangsläufig so bleiben!

Es bleibt für mich folgendes festzuhalten:
  • in jedem Fall wird am Flughafen ein viergleisiger Regionalbahnhof gebaut an dem in ferner Zukunft auch Fernzüge halten können. Preisschild: 320 Mio Euro.
  • höchst wahrscheinlich werden sich der Freistaat Bayern und seine Landeshauptstadt München darauf einigen, Express-Züge über die Ismaninger Strecke (jetzige S8) von der Stadt zu diesem Regionalbahnhof verkehren zu lassen, weil diese Strecke für den Güterverkehr und die S-Bahn ohnehin ausgebaut werden muss.
  • der Nordtunnel ist ohne Einbindung von ICE und elektrischer R-Bahn aus Mühldorf wenig sinnvoll – er bleibt aber als Option möglich, da der Ausbau der Ismaniger Strecke dazu nicht im Widerspruch steht. Also vielleicht Flughafenexpress 2016 und Nordtunnel 2035?
  • des Ministers Gutachter sahen auch vor, dass die Flughafenexpress-Züge über die zweite Stammstrecke der S-Bahn verkehren. Dazu ist zu sagen: der geplante zweite Tunnel über Marienhof wäre bis 2016 noch nicht fertig, der Flughafenexpress wäre also am Ostbahnhof gestrandet. Außerdem ergäbe sich das Problem, dass Regionalzüge und S-Bahnen unterschiedliche Bahnsteighöhen haben und nicht „barrierefrei“ dieselben Bahnsteige benutzen können. Die Barrierefreiheit ist Heute aber wichtig und teilweise gesetzlich vorgeschrieben. Man könnte für das Problem zwar möglicherweise eine neue Lösung erfinden, aber der Südring könnte beide Probleme lösen: dessen Regionalbahnteil könnte schon 2016 fertig sein, und er erlaubt von der S-Bahn getrennte Regionalbahnsteige am Ostbahnhof, Poccistraße (München Süd) und Hauptbahnhof.
Würde man also die beiden jeweils preisgünstigsten Lösungen „Flughafenexpress über Ismaning“ und „S-Bahn-Stammstrecke Südring“ realisieren so wäre der Bau auch am schnellsten abgeschlossen und der Nordtunnel bliebe als zusätzliche Option für 2035 bestehen. Der Nordtunnel wäre dann gleichzeitig die dritte S-Bahn-Stammstrecke und die Strecke für „München 21“ – der Durchbindung von Zügen unter dem Hauptbahnhof und der Innenstadt. Also haben wir einen realistischen Plan zur kurzfristigen Umsetzung, ohne uns die Option zum Träumen zu verbauen.

6 comments:

Anonymous said...

ich bin zufällig auf deinen blog hier gestossen. bin selber großer eisenbahnfreak aus österreich. für uns ist der ausbau der westbahn derzeit die größte baustelle im land. 2012 gehen 140km neubautrasse und 4 rundum erneuerte großbahnhöfe in betrieb. ein meilenstein für den eisenbahnverkehr in österreich. sehr ärgerlich ist für uns, daß die DB den deutschen teil der europamagistrale paris - budapest nur seeeehr schleppend ausbaut. alles züge der westbahn, die nach tirol fahren, brauchen für die 100 km zwischen freilassing und kufstein 75minuten und sind somit mit abstand die langsamste stelle, was alle bestrebungen der ÖBB nach einer schnellverbindung vom westen nach wien zunichte macht. bis jetzt bin ich immer davon ausgegangen, daß die DB die strecke münchen-salzburg über rosenheim führt. immerhin wurde in den letzten jahren der abschnitt bis grafing 4-gleisig ausgebaut, womit die s-bahn endlich ihre eigenen gleise hat. daher wäre es doch viel sinnvoller, rosenheim salzburg auszubauen, was sicher deutlich unter den 2milliarden liegt, die (laut dir) für den ausbau über mühldorf veranschlagt sind. ausserdem kommt dazu, daß eine begradigte neubaustrecke rosenheim - salzburg mit rund 60km um die hälfte kürzer wäre, als eine ausbaustrecke über mühlheim, was sich in der fahrzeit deutlich niederschlägt.
die überschrift deines blogs trifft es also auf den punkt, was ich damit sagen will. ich denke auch, daß der flughafen muc dringend einen expresszug/ICE-anschluß braucht, dieser aber nur als teil der ausbaustrecke nach prag ist. als teil der ausbaustrecke über mühldorf nach salzburg, kann es immer nur eine kompromisslösung sein, die niemandem hilft. die bahnkunden werden die geringe fahrzeitverkürzung nicht wirklich registrieren, die kosten für den ausbau sind viel zu hoch, der weg ist viel weiter, als der südliche ast über rosenheim. der befürchtung der DB, daß der ast von münchen bis rosenheim durch den ausbau der brennerachse überlastet werden könnte, kann ich mich nicht anschließen. ein viergleisiger ausbau bis rosenheim läßt noch einige jahrzehnte kapazitäten offen. selbst wenn eine viergleisige bahnstrecke nach rosenheim die kapazitätsgrenze erreichen sollte, wäre durch das weite unverbaute land noch locker platz für ein fünftes gleis. wieso also eine ausbaustrecke über mühldorf? es gibt weder einen betriebswirtschaftlichen, noch einen volkswirtschaftlichen grund dafür!

Robert Jack Wild said...

Danke für den langen Kommentar. Schön auch die Österreichische Perspektive hier zu haben!
Die Streckenführung über Mühldorf erklärt sich vermutlich wie folgt: eine Neubaustrecke rentiert sich wohl erst ab mehr als einem Zug pro Stunde (und Richtung) und zur Zeit gibt es ja Richtung Salzburg sogar nur einen pro zwei Stunden. Also bleibt nur der Ausbau einer existierenden Strecke und hier spricht mehreres für Mühldorf:
1. die Strecke über Rosenheim ist für eine Altbaustrecke schon recht gut ausgebaut, aber über Mühldorf lassen sich noch mehr Verbesserungen erreichen.
2. die Strecke soll sowieso ausgebaut werden, da auch lokal viel Personen- und Güterverkehr Richtung München besteht.
3. die Strecke ist ein bisschen kürzer und möglicherweise auch günstiger trassiert.
Das der Ausbau gleich so viele Milliarden kosten soll, hat mich auch ziemlich geschockt, aber ausgebaut muss die Strecke sowieso werden, also warum nicht gleich auch für Fernverkehr München–Salzburg. Wenn man davon ausgeht, das insgesamt nur zwei Gleispaare zwischen München und Salzburg nötig sind, dann ist die Führung des Fernverkehrs nach Salzburg über Mühldorf sinnvoll.

In jedem Fall wird dies alles noch lange dauern. Erstmal ist Gotthard-Zeit und man elektrifiziert München–Lindau.

Sicher fahren auf der neuen Westbahn auch viel mehr Züge, als zwischen Salzburg und München. Schauen wir mal, wie sich der Verkehr in den nächsten Jahrzehnten entwickelt.

Manuel said...

ja gerne doch! geht ja immerhin um ein thema, daß mich auch brennend interessiert. stimmt, von münchen aus verkehrt momentan wirklich nur ein zugpaar je zwei stunden. das wäre über mühldorf ja aber das gleiche. ausserdem gibt es ja von seiten der öbb bereits überlegungen, einen stundentakt nach münchen mit dem railjet einzurichten, was aber erst bei voll ausgebauter westbahn möglich (ab 2012) ist. zusätzlich könnten die züge nach frankfurt dann auch über rosenheim/münchen/ingolstadt/nürnberg geführt werden, anstatt wie bisher über wels/passau. somit hätten wir sogar 1,5 zugpaare je stunde. hinzukommt der stundentakt der westbahn, die von salzburg bis rosenheim diese strecke nützt. da ein ausbau von so großem vorteil für die ÖBB wäre, wäre diese sicher auch bereit, einen teil der kosten für den ausbau mit zu finanzieren, was sie bei anderen projekten ja schon gemacht haben. du hast geschrieben, daß die strecke über mühldorf kürzer ist? selbst wenn man den südast von münchen weg rechnet, wäre er kürzer, als der nordast über mühldorf. ausserdem muss die strecke über mühldorf komplett neu adaptiert werden, während am südast schon mehr als die hälfte des weges münchen-rosenheim viergleisig ausgebaut sind. somit müsste die DB also "nur" noch knapp 70km neu bauen, was sicher deutlich unter den kosten des ausbaus über mühldorf liegt.
du schreibst von verbesserungen im punkt 1. welche meinst du da??

stimmt, jetzt wird mal memmingen-lindau elektrifiziert. weißt du, ob es da auch linienverbesserungen geben wird? die strecke zieht sich nämlich wie eine schlange durchs allgäu und mit ein paar begradigungen wären da deutliche fahrzeitverkürzungen möglich. wie ich die deutsche bahn kenne, wird in der hinsicht aber wahrscheinlich nichts getan, weil lieber gespart wird und man eine kompromisslösung baut. ich finde es ohnehin eine frechheit, wie das management die DB seit jahren herunterwirtschaftet. die DB investiert seit jahren in etwa 4milliarden euro pro jahr in das schienennetz, während österreich bei einem 10mal kleineren netz 2milliarden pro jahr investiert. der albabstieg von ulm nach stuttgart beispielsweise ist ein längst überfälliges projekt. das volkswirtschaftlich von enormen wert ist. die paar 100mio, die die bahn dort investieren müsste, würden x-fach wieder in die volkswirtschaft zurück fließen. zwei einfache tunnel würden die fahrzeit zwischen münchen und stuttgart um eine stunde verkürzen... 60km neubautrasse von rosenheim nach freilassing würde münchen 40min näher an wien ranrücken lassen. bei einer fahrzeit von knapp drei stunden verwendet kaum mehr einer das flugzeug. nur so wird die bahn auf strecken bis 800km konkurrenzfähig zum flugzeug, was die auslastung der züge in die höhe schnellen läßt. hochgeschwindigkeitsverbindungen in spanien zeigen, daß sich innerhalb kürzester zeit nach inbetriebnahme der marktanteil zwischen flugzeug und schiene umgedreht haben und das flugzeug nicht mehr konkurrenzfähig ist. halbherzige lösungen, wozu ich auch die linienführung über mühldorf zähle, bringen die deutsche und europäische bahn nicht weiter.

Robert Jack Wild said...

Was ich mit Verbesserungen bei 1. meinte: es sind einige Begradigungen geplant und der zweigleisige Ausbau. Die Kapazitätserhöhung von eingleisig auf zweigleisig ist relativ gesehen wirkungsvoller als von zwei auf vier Gleise.

eine Flut von Zeitungsmeldungen zur Strecke München–Mühldorf gibt es auf diesem Blog: http://www.michael-wengler.de/

Manuel said...

danke für den Link! sind echt viele interessante berichte dabei.

ja klar ist das effizienter. aber die paar begradigungen bringen ja nicht viel. v max wird wohl nie höher als 160km/h liegen, oder?? wenn es so ist, ragt der abschnitt münchen - mühldorf - freilassing negativ aus einer kette von hohen streckengeschwindigkeiten heraus (frankreich bis zu 330km/h, bis münchen 250/200km/h, österreichische westbahn bis 230km/h). darum meinte ich ja, daß eine begradigte neubaustrecke über rosenheim und traunstein wesentlich effizienter ist, weil nur so eine konkurrenzfähige reisegeschwindigkeit erreicht werden kann. ausserdem kommt noch hinzu, daß die region rosenheim/traunstein wesentlich mehr einwohner hat (die von IC-halten ja auch profitieren), als die region bis mühldorf. laut pressenberichten bringt der ausbau dort auch nur eine fahrzeitverkürzung von 15min bis münchen. auf einer neubaustrecke über rosenheim wären die züge rund eine stunde von salzburg bis münchen unterwegs, was über 50min zeitersparnis wären. soweit ich bis jetzt gelesen hab, soll die strecke über mühldorf ja auch nicht an den flughafen münchen angebunden werden. alles in allem bin ich nach wie vor fest davon überzeugt, daß der südast wesentlich sinnvoller für alle ist.

was hältst du eigentlich vom transrapid?

Robert Jack Wild said...

zur Geschwindigkeit nur 160km/h: ja, das scheint mir der Plan zu sein, aber ich weiß es auch nur von Wikipedia und dem schon zitierten Blog.
Die Ausbaulücke scheint mir gerechtfertigt, da dieser der Magistrale ja weniger belastet ist als andere Abschnitte. In Deutschland gibt es zum Beispiel noch die Riedbahn, Stuttgart–Ulm und noch andere ausbaufähige Strecken, welche weit höher belastet sind als Rosenheim–Salzburg.

Zum Transrapid: meine früheren Artikel zum Thema findest Du über die Suchbox oben rechts oder diesen Link: http://rethinktheworld.blogspot.com/search?q=transrapid

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